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Patrick Sigrist

WIE VIEL IST MEINE UNTERNEHMUNG WERT?

Aktualisiert: 28. Sept. 2023

Und die einfache Antwort lautet: Soviel, wie eine unabhängige informierte Drittperson bereit ist zu zahlen! Alles klar? Mitnichten – Unternehmensbewertung gilt immer noch mehr als Kunst denn als Wissenschaft. Von brotloser Kunst bis zu viel beachteter Überlebenskunst – es ist alles enthalten in der Domäne der Unternehmensbewertung.

 

In der Praxis haben sich verschiedene empirische Bewertungsmethoden etabliert – die mit Blick auf die Schweizer KMU-Wirtschaft relevantesten Bewertungsmethoden sind:


Vergangenheitsbezogen:

  • Substanzwertmethode

  • Ertragswertmethode

  • Praktikermethode

  • Multiplikatorverfahren


 Zukunftsbezogen:

  • Discounted Cash Flow Methode (DCF)

 In unserem Blog wollen wir nicht auf die einzelnen Bewertungsmethoden im Detail eingehen – hierzu existiert unzählige Fachliteratur. Nein, wir wollen – basierend auf unserer KMU-Beratungspraxis – verschiedene wichtige Aspekte bzw. Stolpersteine in der Unternehmensbewertung thematisieren:

 

Identifikation zentraler Werttreiber

Wir haben die eine oder andere Unternehmensbewertung schon zu Gesicht bekommen und studiert – teils mit sehr guter Dokumentation der Herleitung des festgelegten Unternehmenswertes (z.B. als Bericht zur Unternehmensbewertung).

 

Aber die zentrale Frage: «Wer oder was begründet den grössten Teil des Unternehmenswertes?» wird selten bis nie explizit beantwortet. Unsere Empfehlung: Stellen Sie sich die Frage nach dem zentralen Werttreiber der Unternehmung! Ist es z.B. bloss die Liegenschaft / Standort, welcher hauptsächlich den Unternehmenswert begründet? Interessant aus Investorenperspektive mit Blick auf eine Fortführungsstrategie ist der Erwerb des zentralen Werttreibers der Unternehmung.

  

Liegenschaften

Viele KMU’s in der Schweiz existieren seit Jahrzehnten. Nicht selten fand unter der Ägide der «ersten» Generation der Erwerb einer Geschäftsliegenschaft statt – in einer Zeit, als die Schweiz noch eine andere war als heute; vor allem mit Blick auf die Raumplanung. Seinerzeitige Gewerbestandorte befinden sich heute voll in der Wohnzone – und werden dennoch als Gewerbe weitergenutzt. Sie sind quasi zu Inseln der Arbeitsamkeit geworden in einem Schlafquartier.

 

Was passiert nun im Falle einer Unternehmensbewertung? In vielen Fällen erfolgt eine separate Liegenschaftsbewertung durch einen Immobilienbewerter – und zwar zu Fortführungswerten. Auswirkung: Der effektive Wert der Immobilie dürfte vielfach höher sein als der aus der Bewertung resultierende Fortführungswert. Dies daher, weil auf Wohnflächen höhere Mietpreise erzielt werden können als auf Gewerbeflächen – die entsprechenden unterschiedlichen Landpreise dokumentieren dies. Unsere Empfehlung: Augen auf bei Liegenschaften – nicht nur Bewertung zu Fortführungswerten vornehmen; sondern auch zu möglicher maximaler zulässiger Nutzung.

  

Personenbezogener Goodwill

Wir kennen Ihn – den Typ Macher (früher Patron genannt) – ein Mann der Tat und nicht der Worte. In jungen Jahren gründet er in seinem Unabhängigkeits- und Freiheitsdrang eine eigene Unternehmung und baut diese erfolgreich auf. Er ordnet seiner Unternehmung alles unter – Familie, Freizeit, Gesundheit – und ein Blick in die jährliche Jahresrechnung verrät ihm: Er ist wirtschaftlich äusserst erfolgreich in dem was er tut.

 

Der Alterungsprozess macht aber auch vor unserem Typ Macher nicht Halt – und irgendeinmal stellt sich auch bei ihm die Frage nach der eigenen Nachfolge. Familieninterne Nachfolge? Sohn ist glücklicher Sozialpädagoge, Tochter überglückliche Konzertpianistin. Unternehmensinterne Nachfolge? Aus der Belegschaft drängt sich niemand auf, Verantwortung zu übernehmen.

 

Da kommt das Übernahmeinteresse der Konkurrenzfirma sehr gelegen. Für ein verbindliches Übernahmeangebot wollen diese eine Unternehmensbewertung vornehmen, d.h. die Firma auf den Kopf stellen mittels «Due Dilligence». Abgemacht – und schon flattern die beauftragten Anzugträger in das Königreich unseres Typ Machers ein, sperren sich in ein Besprechungszimmer ein und durchwühlen die mühsam vorbereiten Akten, stellen allerlei Fragen an den Typ Macher und an seine Schlüsselmitarbeiter. Eine Tortur für unseren Typ Macher – gut hat der ganze Spuk nach drei Tagen ein Ende – mit einem warmen Händedruck und einem freundlichen Lächeln werden die beauftragten Anzugträger von unserem Typ Macher verabschiedet und aus dem Königreich verbannt (wahrscheinlich für immer – das Ganze hat ihn sichtlich Nerven gekostet).

 

Nun ist warten angesagt. Vereinbart bzw. in Aussicht gestellt worden ist, dass der Bericht der Unternehmensbewertung / Due Dilligence in zwei Wochen vorliegen würde. Aber das ist eigentlich Makulatur – unser Typ Macher kennt den Wert seiner Unternehmung – hat doch der Treuhänder seines Vertrauens bereits ebenfalls eine Unternehmensbewertung ausgearbeitet mittels der verbreiteten Praktikermethode – und die gefällt unserem Typ Macher; das eigene Lebenswerk – es glänzt in Gold …

 

Nach mühsamen zweiwöchigem Warten ist es so weit – die Sekretärin bringt einen eingeschriebenen Brief per Post – sofort stürzt sich unser Typ Macher auf das Dokument, geht ins Inhaltsverzeichnis und blättert sofort auf die Seite mit der Illustration bzw. Bekanntgabe des Unternehmenswertes. Und als er die Zahl erblickt – da steigt sein Blutdruck an, die Emotionen kochen hoch und sein Temperament brennt mit ihm durch – die Vase auf seinem Schreibtisch muss dran glauben und es startet eine fünfminütige jähzornige Schimpftirade gegen alles und jeden, d.h. gegen die ganze Welt.

 

Was ist passiert? Wie kann es sein, dass der Unternehmenswert so unterschiedlich ausgefallen ist d.h. viel tiefer, als sich unser Typ Macher dies vorgestellt hat? Das kann doch nicht sein – er hat immer super Zahlen geliefert?

 

Und nun verlassen wir den Blickwinkel unseres Typ Machers und wenden uns einer objektiven Betrachtungsweise zu. Das Stichwort im vorliegenden Fall heisst «personenbezogener Goodwill» – konkret: der Unternehmenswert, welcher auf eine Person oder Personengruppe entfällt. Am stärksten ist dieser «personenbezogene Goodwill» bei Freiberuflern & ÄrztInnen vertreten – vielfach repräsentieren sie den grössten Teil des Unternehmenswertes, d.h. bilden den zentralen Werttreiber.

 

Und auch in der allgemeinen KMU-Landschaft ist es häufig so, dass der oder die Inhaberin für einen grossen Teil des Unternehmenswertes verantwortlich ist. Müssen diese Personen duch einen Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin ersetzt werden, so resultiert dies vielfach mit Blick auf die Zukunft in einem viel tieferen Unternehmenswert. Warum: Der neue Geschäftsführer ist mitnichten bereit, auch nur ansatzweise ein so hohes Engagement an den Tag zu legen wie der bisherige Inhaber – resultierend in zukünftigen tieferen «Cashflows» und somit tieferem Unternehmenswert.

 

Unsere Empfehlung: den Unternehmenswerte kritisch auf personenbezogenen Goodwill überprüfen und diesen in Abzug bringen.

  

«Multiples»

«Konzern XY übernimmt Konzern ZZ zu XY Franken, die Bewertung entspricht dem 10 fachen des jährlichen EBITDA». So oder ähnlich lesen sich vielfach die Meldungen über Firmenübernahmen in der Konzernwelt in Fachmedien; und auch in der KMU-Welt ist die Unternehmensbewertung mittels Multiplikatorverfahren «Multiples» angekommen bzw. wird rege praktiziert.

 

Der Grund für die Zunahme der Verwendung liegt in der einfachen Handhabung sowie Verständlichkeit. Alles schön und gut – aber wir glauben, dass «Multiples» einzig zur Plausibilisierung eines Unternehmenswertes herangezogen werden sollten und somit keine Unternehmensbewertung per se darstellen. Wir würden einen nach dem Multiplikatorverfahren ermittelten Unternehmenswert immer kritisch hinterfragen. Die Besonderheiten einer KMU-Unternehmung, insbesondere der personenbezogene Goodwill oder die vorhandene Substanz, können mit einem einfachen Mulitplikatorenverfahren in der Regel nicht angemessen berücksichtigt werden.

  

Earn Out-Methode

Einige Branchen stehen zur Zeit infolge rasanter technologischer Veränderungen vor einem kolossalen Umbruch. Geschäftsmodelle, welche in der Vergangenheit sehr gut funktioniert haben, könnten in der Zukunft obsolet sein. Aber so genau wissen tut man es ja nicht – es ist eine reine Vermutung, d.h. einen Blick in die Glaskugel. Nun haben wir zwischen Käufer und Verkäufer einen klassischen Zielkonflikt bezüglich. Festlegung des Unternehmenswertes. Abhilfe schaffen kann in diesem Fall die sogenannte «Earn Out-Methode», bei welcher ein Teil des Kaufpreises, d.h. Unternehmenswertes an zukünftige Entwicklungen von «Benchmarks» gekoppelt ist. Und hier liegt die Knacknuss der «Earn Out-Methode», die Festlegung von für beide Vertragsparteien akzeptablen «Benchmarks». Vielfach wird in der Praxis der EBITDA als Benchmark herangezogen – aus Gründen der Einfachheit. Wir glauben, dass dies nicht zielgerichtet ist d.h. die falsche Bezugsgrösse darstellt.

 

Wir empfehlen, die antizipierten Veränderungen inkl. Zeithorizont im Geschäftsmodell der zu bewertenden Unternehmung sauber zu dokumentieren und die finanziellen Auswirkungen dieser Veränderungen 1:1 zu quantifizieren und aus den gewonnenen Kenntnissen mehrere messbare «Benchmarks» für einen allfälligen «Earn-Out» zu definieren.

 

Fazit

Setzten Sie sich als Inhaber oder Inhaberin regelmässig mit Ihrer Unternehmung auseinander und analysieren Sie die Werttreiber, Chancen und Risiken. Ein Unternehmer, eine Unternehmerin hat immer eine emotionale Bindung zu seinem «Baby», diese kann jedoch monetär nicht gemessen und auch nicht abgegolten werden. Ein potenzieller Käufer, sei es nun ein Investor oder ein Nachkomme, wird den Blick nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft richten. Was kann ich mit dieser Unternehmung erreichen? Wo muss ich investieren? Wo gibt es noch Potenzial?

 

Machen Sie sich diese Gedanken auch, bevor Sie eine detaillierte Unternehmensbewertung erstellen lassen. Dann wird es die schöne Vase hoffentlich überleben.

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